Die Bundesregierung hat im Jahr 2019 mit den „Modellprojekten Smart Cities: Stadtentwicklung und Digitalisierung“ ein umfangreiches Programm für die Modernisierung von Städten und kommunalen Verwaltungen gestartet. Drei Staffeln wurden bereits ausgeschrieben und über 70 teilnehmende Gebietskörperschaften beziehungsweise Netzwerke ausgewählt. Viele Augen warteten auf die vierte Staffel, eadiz auch (siehe hier). In an sich bereits turbulenten Zeiten – die Pandemie will nicht weichen und die Russische Föderation überfällt die Ukraine – ist die „Ausgründung“ des Bundesministeriums für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen mit zusätzlicher Komplexität belastet. Personelle Änderungen in der Verantwortung für das Programm und die Abgrenzung zu anderen digitalen Aktivitäten, wie die des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft, haben denn nun dazu geführt, dass die vierte Staffel erst im kommenden Jahr durchgeführt wird, wie der Tagesspiegel Background Smart City & Verwaltung am 15.03.2022 berichtet. Mittel sind im Bundeshaushalt 2023 angemeldet, die Beratungen sind aber noch zu führen.
In der Wissenschaft dient ein Sabbatjahr (engl. sabbatical), um sein Wissen zu erweitern, die Kompetenz zu konsolidieren und neue Einflüsse aufzunehmen. Entsprechend der Ruhe auf dem Feld, wo nach sechs Ernten im siebten Jahr keine Saat ausgebracht wird, soll der Boden für weitere, neue Aufgaben bereitet werden. Wie neu werden die Grundzüge sein? Was wird sich wesentlich ändern? Nun, das wird man wahrscheinlich erst ab Herbst sehen. Die Analysen der KTS (Koordinierungs- und Transferstelle) laufen, die Teilnehmer der zweiten und dritten Staffel arbeiten noch größtenteils in der Phase I, deren Ziel die Integrierte Digitalstrategie für jeden Teilnehmenden ist. Die Verkürzung der Phase I von zwei auf ein Jahr macht dabei den neuesten Teilnehmern dabei doch erheblichen Druck.
Mit der Erfahrung aus einem der ersten Teilnahmen und dem Einblick in viele andere, ergibt sich aus unserer Sicht eine kurze Liste an Vorschlägen, die bei einer eventuellen Neuausrichtung diskutiert werden könnten:
- Verlängerung der ersten Phase auf wieder zwei Jahre. Viele Teilnehmer schaffen für die Projekte neue Strukturen, akquirieren neues Personal, müssen alles erst einmal verarbeiten, neu ordnen und aufbauen. Solche Veränderungen der Aufbaustruktur einer Kommunalverwaltung sind ja auch gewollt und brauchen ihre Zeit.
- Vorziehen von Maßnahmen mit grundsätzlichem Charakter. Es gibt einige Selbstläufer, oder englisch „no-brainer“, nicht zu verwechseln mit „gedankenlos“, die fast unabhängig von der Integrierten Digitalstrategie sind. Solche Projektbausteine sind ein digitales System für Partizipation, eine Datenplattform, oder vielleicht auch ein LoRa-WAN. Nicht jede Kommune wird alle Bausteine benötigen, aber in der Bewerbung nimmt man ja bereits Stellung zu den Schwerpunkten und weiß, was mit Sicherheit an grundlegenden Lösungen benötigt wird. Während der Phase I sind dann solche Bausteine zu implementieren, damit sie bereits zu Beginn der Phase II erprobt bereitstehen.
- Vorgabe für ein Konzept zur Personalkultur. Digitalisierung ist oft so viel Neuland, dass man auf ein junges, dynamisches, vielleicht auch etwas durchgeknalltes Team setzten möchte. Der Begriff „Rostlöser“ wird manchmal verwendet. Aber die Chemie zum Rest der Verwaltung muss stimmen. Innovationen stellen Altbekanntes infrage, da ist es um so wichtiger, dass bei der Umsetzung Allianzen vorhanden sind und breite Kommunikationswege bestehen. Ein isoliert arbeitendes Team wird nach Auslaufen der Finanzierung sich schnell in Luft auflösen. Von Anfang an sollte bedacht werden, was in der Verwaltung bleiben soll.
- Direkt in den Vortrieb. Bei MPSC kann das Projekt für die Öffentlichkeit schon mal schnell im Tunnel verschwinden, weil man sich intern mit Aufbau und Start der Strategiephase befasst. Neben dem Vorziehen der Maßnahmen mit grundsätzlichem Charakter soll aber die Sichtbarkeit für die Bevölkerung permanent gewährleistet sein. In der Ausschreibung sollte daher darauf geachtet werden, dass Ideen zur permanenten Sichtbarkeit von den Bewerbenden gefordert werden.
- Zentrale Dienste und deren Weiterentwicklung einplanen. Die Aufgaben Projektmanagement, Öffentlichkeitsarbeit und Fördermittelmanagement sind essenziell für den Erfolg dieser Projekte. Zum einen ist wichtig, dass solche Stellen vorhanden sind, zum anderen müssen diese auch fit gehalten werden, denn die Tragweite der Entscheidungen ist groß, innovatives Vorgehen erforderlich. Hier können programmweitere Qualifikationsmaßnahmen sehr hilfreich sein, aber ein individuelles Coaching wird die Leistung noch weiter steigern.
- Bewusstseinserweiterung. MPSC Ist keine Maßnahme der Städtebauförderung, sie ist keine Investitonsmaßnahme. Im Kern handelt es sich um „Change Management“ in der Verwaltung und eine Neugestaltung der Schnittstelle von der kommunalen Selbstverwaltung zu den Bürgerinnen und Bürgern. Es geht nicht nur um eine Entscheidung des Stadtrats zu finanziellen Fragen, sondern der Erfolg des Vorhabens in einer Gebietskörperschaft wird davon abhängen, was man in diesen beiden Bereichen erreichen möchte oder sogar, ob man die Veränderungen überhaupt erreichen möchte. Eine klare Benennung der Ziele im Vorfeld mit einer deutlichen Aussage in den Bewerbungsunterlagen, etwa mit einer Einbindung des Personalrats, würde hierbei helfen.
- Klare Erwartungen zu den technischen Aspekten der Digitalisierung. Von Anfang an war klar, dass die Technik nicht das Förderprogramm dominieren soll. Auf der anderen Seite darf Technologie nicht heruntergestuft werden auf eine Niveau „irgendwas mit App“. Das Einweben von Innovation, die grundsätzliche Strukturveränderungen, die neue Möglichkeiten der Digitalisierung könnten noch mehr betont werden. So scheint bisher noch nicht klar herausgearbeitet zu sein, welche Möglichkeiten der kommunalen Zusammenarbeit in der Digitalisierung stecken. Die Aufhebung der Präsenzpflicht bei der Bearbeitung und das Aufbrechen sequentieller Prozessketten haben ein großes Potential.
Die Liste ist nicht abschließend, enthält aber die wichtigsten Beobachtungen der letzten Jahre aus unserer Sicht.
Daneben gäbe es nach Rückmeldung von einigen Kommunen noch Hinweise zum Prozess an sich:
- Frühzeitige Bekanntgabe der Termine, damit man das Bewerbungsteam zusammenstellen kann und erste Vorarbeiten in Ruhe stattfinden.
- Eine Aussage, ob es eventuell noch eine fünfte Staffel geben wird, oder, ob das Programm nach der vierten Staffel abgeschlossen wird.
- Transparenz im Entscheidungsprozess, gerade bei den Bewerbungen, die knapp scheitern oder es gerade noch schaffen.
Ein Jahr ist schneller rum, als man denkt. Aber die Pause, so kurz oder lang man sich auch empfindet, sollte als Zäsur genutzt werden, dem Vorhaben einen neuen Stempel aufzudrucken. Getreu dem Motto „das Bessere ist der Feind des Guten“ wäre es im Sinne des Vorhabens, wenn man aus den ersten Schritten lernt und die Ausrichtung justiert. Denn das Vorhaben „Modellprojekte Smart Cities: Stadtentwicklung und Digitalisierung“ hat bereits viel Gutes bewirkt, Kommunen zum Reflektieren über ihre Aufgaben in der Digitalisierung bewegt und zahlreiche Beispiele bürgernaher Veränderungen produziert.